Erfahrungsberichte

Trauercafé – einfach mal nicht allein sein …

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„Trauer und Café. Wie passt das denn zusammen? Soll man da etwa weinend Kaffee trinken und –Kuchen essen? Was hat sich der Hospizverein denn da schon wieder ausgedacht.“ So schilderte mir Frau P. ihre ersten Gedanken, als sie vom Trauercafé gehört hatte, das der Hospizverein einmal im Monat veranstaltet. Ja, wie passen Kaffee und Kuchen mit Trauer und Verlust zusammen? Klingt erst einmal seltsam, passt aber tatsächlich.

Mich persönlich hat die Idee eines Trauercafés von Anfang an fasziniert. Ich dachte mir nämlich: Endlich einmal ein Rahmen, in dem Jede/r mit der eigenen Trauer einfach da sein kann. Frei-Raum, um entweder die eigene Trauer mit anderen zu teilen oder einfach auch nur, ohne groß zu reden, mit Menschen zusammenzusitzen, die in einer ähnlichen Situation sind. Das bedeutet: Atemholen in einer Lebenssituation, die so oft verlangt, dass man funktioniert, sich zusammenreißt, in der man anderen nicht auf die Nerven gehen will.

Wir vom Team des Trauercafés versuchen, diesen Raum zu erschaffen, indem wir einmal im Monat zum Trauercafé einladen. Wir decken den Tisch, wir kochen Kaffee und Tee, backen Kuchen und wir öffnen die Tür des Hospizvereins für alle. Das alles ohne jegliche Verpflichtung für die Gäste, wer kommt, der kommt. Wer wiederkommen möchte, ist gern gesehen. Unser Trauercafé ist ein offener Treff.

Gespräche ergeben sich meist von selbst, manchmal wird aber auch ein bestimmtes Thema angesprochen, das naheliegt. Wie ist es zum Beispiel, wenn sich Freunde und Bekannte von einem abwenden, wenn man trauert. Oder: Welche Erwartungen werden an einen gestellt; wie soll man angeblich mit der eigenen Trauer umgehen? Solche Gespräche sind wichtig, denn neben all dem Traurigen gibt es hin und wieder auch schallendes Gelächter über manch eine Absurdität. Es kann sehr erleichternd sein, zu sehen und erleben, dass man nicht allein mit seiner Trauer ist.

Natürlich haben wir auch schon Bedenken zu hören bekommen: „Ich kenne da doch niemanden“ oder „Ich will nicht, dass das, was ich von mir erzähle weiter getragen wird. Gerade hier am Ort, wo mich man mich kennt.“ Ich kann diese Einwände sehr gut nachvollziehen. Trauer gilt nach wie vor als Privatsache, als etwas, das viele meinen, alleine mit sich ausmachen zu müssen. Aber ist das wirklich so? Gehört das Trauern nicht auch zum Leben, wie das Lachen, das Staunen, der Schmerz, die Veränderung?

Wer zum Trauercafé kommt, an den werden keine Erwartungen gestellt. Niemand muss etwas erzählen, niemand etwas preisgeben. Wir alle sind Menschen in ihrer ganzen Verletzlichkeit. Und in der Zeit der Trauer sind wir naturgemäß dünnhäutiger, verletzlicher als in anderen Zeiten. Diese Verletzlichkeit wird im Rahmen des Cafés gesehen und immer respektiert. Genau aus diesem Grund bestätigen mir Teilnehmer/innen immer wieder, wie wohl es der trauernden Seele tut, wenn man es schafft, die eigenen Bedenken einmal Pause machen zu lassen und sich diese Zeit im Kreis anderer Menschen selbst zu schenken. Trauer und Café passen durchaus zusammen, denn jede Seele braucht einmal wenigstens eine kleine Auszeit.

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Das Team der Trauerbegleiterinnen

Nicht warten – leben!

Letzte Woche konnte man in den Tageszeitungen unserer Region lesen, dass beim 2. Internationalen Zoom Hack Slam ein neuer Weltrekord aufgestellt werden konnte. Er fand statt mit 314 SpeakerInnen aus 22 Nationen in 11 Sprachen. Die Teilnehmenden hatten die Aufgabe, in einer einminütigen Rede entweder ein Thema, ihr Business oder auch eine ehrenamtliche Tätigkeit vorzustellen. Wichtig ist dabei, dass das Publikum in dieser extrem kurzen Präsentation sowohl vom Inhalt der Darbietung als auch von der vortragenden Person überzeugt ist. Eine der Teilnehmerinnen war Dr. Dorothea Luther, die ihre Tätigkeit in der Hospizbewegung als Seminarleiterin und Supervisorin vorstellte. Wir freuen uns, dass wir Dorothea Luther als Referentin für die verschiedensten Fortbildungen unserer ehrenamtlichen MitarbeiterInnen einsetzen können. Da die Hospizhelfer bei manchen Sterbebegleitungen starken Belastungen ausgesetzt sind, sind regelmäßige Supervisionen unbedingt erforderlich. Diese werden ebenfalls von Dorothea Luther abgehalten. Auch können unsere Hospizbegleiter bei Bedarf Einzelsupervision bei ihr in Anspruch nehmen. Der Titel ihrer Präsentation beim Speaker-Weltrekord lautete: Nicht warten – leben! Und genau dieser Aufruf ist es, der sich durch ihre Seminare zieht. Denn: Um einigermaßen in Frieden und vielleicht sogar erfüllt sterben zu können, ist es wichtig, immer wieder auf die kleinen und großen Freuden im Leben zu achten und dankbar dafür zu sein. In diesem Sinne: Nicht warten – leben!

Weitere Information über Fr. Dr. Luther

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Dr. Dorothea Luther

"Ziemlich beste Fußball-Freunde" - im November 2021

Wenn Wolfgang Köstner vom Freitag, dem 24. September 2021, erzählt, dann leuchten seine Augen. Dabei war er an diesem Tag gar nicht die Hauptperson, sondern er hat einem anderen Menschen eine große Freude bereitet:
Harald Preller konnte an diesem Abend zum ersten Mal in seinem Leben live ein Fussballbundesligaspiel erleben: SpVgg Greuther Fürth war aufgestiegen und an diesem Freitag um 20.30 Uhr fand das Heimspiel gegen Bayern München, seinem Lieblingsverein, im Ronhof statt. Zu seinem 50. Geburtstag war über den Hospizverein Eckental dieser Besuch – trotz Corona-Maßnahmen – organisiert worden. Es gab gar keine Karten im freien Verkauf, aber mit Kontakten über den Hospizverein und dank eines Sponsors der SpVgg Fürth, wurde dieser Besuch ermöglicht. So konnte, mit den besten Wünschen der Schwestern und Pfleger von Martha Maria in Forth, das Unternehmen „Fußball live“ starten: Endlich konnte der Bayern-Fan seine Lieblingsfußballer, Neuer, Lewandowski, Müller & Co. live erleben.
Es war ein ganz aufregender Tag für Harald, den Wolfgang seit 2015 kennt, als die Begleitung begann. Harald mag eigentlich keine großen Menschenansammlungen, wenn es laut ist und unübersichtlich, dann fühlt er sich verängstigt und unsicher. Aber in Begleitung von Wolfgang, ließ er sich auf dieses Abenteuer ein. Er schaute und strahlte, fieberte mit und war einfach überwältigt … – und zu gleich ganz still.
Harald Preller, geboren im September 1971, wohnt seit ca. 2014 im Seniorenheim Martha Maria in Forth und hat eine berufsmäßige Betreuerin. 2014 erhielt er ein Herz transplantiert. Wolfgang Köstner begleitet ihn bei Klinikbesuchen und wenn Untersuchungen anstehen. Vor allem fahren sie gemeinsam einkaufen, denn das ist eine Leidenschaft von Harald. Saturn oder der Müller-Drogeriemarkt sind seine Lieblingsgeschäfte, weil er dort eine große Auswahl an CDs und DVDs vorfindet und er liebt es, Filme anzusehen und in fremde Abenteuer einzutauchen. Danach bekommt er sein bevorzugtes Mittagessen bei McDonald’s, einen Hamburger oder Cheesburger.
Mit seinen gerade mal 50 Jahren hat Harald erhebliche Schicksalsschläge verkraften müssen. Es ist faszinierend zu erleben, wie ein Mensch, dessen Leben voller Einschränkungen ist, mit solch einfachen Dingen und Ereignissen glücklich ist und wie er diese kleinen Ausbrüche aus dem Alltag genießt. Im Juli 2021 wird ihm auch noch ein Shunt gesetzt, da er in Zukunft an die Dialyse muss, weil seine Nierenwerte sich weiter verschlechtert haben. Außerdem kommt er nun auch auf die Warteliste für eine Nierentransplantation. Trotz all dieser eigenen leidvollen Erfahrungen, hat Harald Preller immer einen freundlichen Blick für andere, ist zugewandt und kümmert sich im Heim um jene, denen es noch schlechter geht; er hilft jedem, wenn er kann, und ist vom Wesen her ganz einfach freundlich.
Ich habe Harald Preller selbst noch nicht kennengelernt, freue mich aber sehr darauf. Denn er lebt, dass geteilte Freude doppelte Freude ist und dass man auch unter so schwierigen und einschränkenden Bedingungen das Beste daraus machen kann und hilfsbereit, freundlich und zugewandt bleiben kann und nicht in seinem Leid erstarrt, mit dem Schicksal hadert. Er ist bei den Menschen, mit denen er im Seniorenheim lebt, sehr beliebt und wird geschätzt.
Wolfgang Köstner hat selbst diese Begabung, auf andere zuzugehen und ist mit Leidenschaft seit vielen Jahren Hospizbegleiter. Ich lerne viel von ihm für meine eigene Tätigkeit als Hospizbegleiterin. Hier erlebe ich, wie eine besondere Freundschaft möglich ist zwischen Männern, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären, weil ihre Leben doch so unterschiedlich verlaufen sind.
So wird, was als ehrenamtliche Arbeit begann, zu einer Bereicherung für alle Beteiligten – ein Glücksfall! Wir hoffen alle, dass Harald Preller noch viele schöne Tage mit seinen Freunden erleben kann und dass wir noch oft die Gelegenheit haben, von ihm zu lernen, dass jeder Tag ein schöner Tag sein kann!

Von Ruth Neubauer-Petzoldweitere Informationen über Frau Prof. Dr. Neubauer-Petzold

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von links: Harald Preller und Wolfgang Köstner


Tolle Stimmung im Stadion

Gespräch mit der Hospizbegleiterin Jutta Spiegel

Jutta Spiegel, 79 Jahre, ist seit über 20 Jahren ehrenamtliche Hospizbegleiterin beim Eckentaler Hospizverein.

Was waren deine Beweggründe, dich beim Hospizverein ehrenamtlich zu engagieren?
Mit dem Beginn meiner Altersteilzeit im August 2000 habe ich erfahren, dass in Eschenau ein Ausbildungskurs für Hospizbegleiter beginnen soll. Ich meldete mich spontan dazu an. Nach meiner Ausbildung zur Krankenschwester im Theresien-Krankenhaus in Nürnberg, arbeitete ich mehrere Jahre dort, darauf folgten 5 Jahre Pflegedienst im Roncallistift Erlangen. Als das Pflegeheim des Diakonievereins Forth gebaut wurde, stellte mich Herr Dr. Filler als leitende Krankenschwester ein. Ich hatte während meiner Pflegetätigkeit immer das Bedürfnis, dass ich gerne noch mehr Zeit für die Pflegebedürftigen aufbringen möchte, als dies während der Dienstzeiten möglich war. Als Rentnerin war ich somit in der Lage, den alten, kranken und auch sterbenden Menschen einen gewissen Teil meiner Zeit zu schenken, durch Besuche und durch Sterbebegleitung.

Wie verhältst du dich, wenn du zu einer Sterbebegleitung gerufen wirst?
Ich versuche herauszufinden, was dem Kranken oder Sterbenden gut tut. Oft genügt das Da sein, zuhören, sich einbringen, miteinander reden oder gemeinsames Schweigen. Wenn es gewünscht wird, bete ich auch oder ich singe ein paar Strophen eines Liedes, das gestalte ich sehr individuell. Für mich ist es wichtig zu erspüren, ob die oder der zu Begleitende seine Krankheit, sein Schicksal annimmt. Wenn dies nicht möglich ist, stehe ich in einem gewissen Spannungsfeld, das ich aushalten muss. Unser Hospizverein ist offen für alle Religionen und Weltanschauungen. Wir achten die persönliche Spiritualität des zu begleitenden Menschen und wenn ich feststelle, dass Gebete nicht gewünscht werden, ziehe ich es vor, in der Stille zu beten.

Erledigst du im Hospizverein neben den Begleitungen auch andere ehrenamtliche Aufgaben?
Ich war bereits bei der Gründungsversammlung des Eckentaler Hospizvereins am 21.03.2001anwesend und wurde als Beisitzerin in die Vorstandschaft gewählt. Dieses Amt übte ich bis zum Jahr 2012 aus. Im Verein bin ich neben den Begleitungen auch zuständig für das Schreiben der Geburtstagskarten an die Hospizbegleiterinnen und –begleiter; wir behalten es bei, dass sie einen handschriftlichen Geburtstagsgruß erhalten. Ich bringe mich auch bei Märkten ein, wenn z.B. der Eckentaler Weihnachtsmarkt stattfindet, bin ich gerne bereit, Weihnachtsplätzchen zu backen und in der Marktbude zu stehen, denn der Verkauf von handgemachtem Gebäck durch den Hospizverein ist seit längerer Zeit Tradition beim Weihnachtsmarkt.

Was würdest du dir wünschen, wenn du einen Wunsch frei hättest?
… dass alle Menschen genug zum Essen und zum Leben haben.
… dass die Güter der Erde gerecht verteilt werden

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Jutta Spiegel

Zusammen „in die Sonne schauen“ - Meine Erfahrungen in den Informationsgesprächen zu Patientenverfügungen im September 2021

Ruth Neubauer-Petzoldt

Ich freue mich, wenn jemand anruft und für sich, den Partner/die Partnerin oder seine Eltern einen Termin wegen einer Patientenverfügung vereinbaren will. Das mag seltsam klingen, warum sich freuen, um über das Sterben zu sprechen. Aber jedes dieser Gespräche erzeugt für eine gewisse Zeit eine besondere Nähe, wenn Menschen, die sich nicht kennen, einander begegnen, sich zu einem so existenziellen Thema wie dem eigenen Sterben öffnen und sich über ihre Vorstellungen, auch Ängste und Wünsche, austauschen.

Nach der Ausbildung als Hospiz- und Sterbebegleiterin war mir schnell klar, dass ich dieses Thema nicht vom Tod her, sondern biographisch früher angehen möchte, und ich habe mich dann gleich für eine Fortbildung des Hospizvereins Bamberg zur Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung angemeldet, um mehr über die rechtlichen Hintergründe, die Konsequenzen und die Erwartungen meiner Gesprächspartner zu lernen.

Wie läuft der Termin ab? Wir begrüßen uns und stellen uns kurz vor. Dann erkläre ich in diesen Gesprächen die Rahmenbedingungen, für welche Situation diese Verfügungen bestimmt sind: Wenn man eben nicht mehr selbst äußern kann, was man will. Am besten ist es, wenn die Person, die die Patientenverfügung macht, den- oder diejenige mitbringt, der sie die Vollmacht erteilen will bzw. möchte, dass diese ihren Willen kennt und durchsetzt. Ja, und dann die großen Fragen, die hier auftauchen – und die wir besprechen und die auch jedes Mal wieder in mir ein Echo auslösen. Da klingen die Antworten nach, die ich höre, da frage ich mich erneut: Was ist mir wichtig? Ich werde Abschied nehmen müssen, wer soll mich hoffentlich auf meinem letzten Weg begleiten? Wo wird dies sein? Worauf soll mein Blick fallen? Auf was möchte ich doch nicht verzichten bis zuletzt?

Diese Gespräche sind sehr verschieden, manche ältere oder auch alte Menschen sind sehr abgeklärt, sie beantworten die Fragen sehr direkt und kurz; man spürt, sie haben darüber nachgedacht: es ist die letzte Station, mit der sie sich konfrontiert sehen werden und eigentlich wollen sie dies nur ganz praktisch hinter sich bringen. Es ist passiert, dass der Tochter, die dabei sitzt, die Tränen kommen, wenn sie ihren Vater reden hört und sie die inneren Bilder sieht, die sie mit dem Abschied konfrontieren, sie ahnen lassen, welchen Schmerz die Trauer auslösen wird.

Immer wieder spüre ich die Erleichterung der Angehörigen und manchmal auch die Überraschung, wenn die Mutter, der Ehemann erklärt, was er oder sie möchte oder nicht mag, und was man auch nach so vielen Jahren des Zusammenlebens doch nicht wusste …

Von Ruth Neubauer-Petzoldweitere Informationen über Frau Prof. Dr. Neubauer-Petzold

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Prof. Dr. Ruth Neubauer-Petzoldt